Chronik

Die Darmstädter Privilegierte Schützengesellschaft (PSG), der älteste Darmstädter Verein, hat ihren Ursprung in den 1538 erstmals erwähnten Darmstädter Armbrustschützen.

Detail aus dem Tryptichon "Martyrium des Hl. Sebastian" von Hans Holbein 1530

Allerdings übten die Darmstädter Schützen damals noch nicht aus Zeitvertreib und sportlichem Interesse, sondern weil sie im Rahmen der Zentverfassung (Gerichtsbarkeit) zur Verteidigung ihrer Stadt verpflichtet waren und ein Teil von ihnen mit Büchsen bewaffnet war. Die Darmstädter Schützenkompanie übte regelmäßig auf dem Schießberg, etwa in der Gegend der St. Ludwigskirche. Die Schützenstraße erinnert daran. Zwei Schützenmeister hatten für die Ordnung beim Schießen zusorgen. Das Anschießen (meist an Christi Himmelfahrt) und das Abschießen wurden festlich begangen. Die Stadt stiftete jedes Mal Wein. Festschießen in DA werden erstmals 1563 und 1568 erwähnt. 1575 gab es ein Freischießen zwischen GroßemWoog und den Dreibrunnen. Vorübungen zu den Festschießen waren die sonntäglichen Übungen der Schützen.

 
Schießhaus der Privilegierten Schützengesellschaft am Alten Friedhof, 1839 errichtet (an der Stelle der heutigen Georg-Büchner-Schule), Foto: Stadtarchiv Darmstadt

Zur Hauptaufgabe der Zenten gehörte die Registrierung und Überwachung des militärischen Aufgebots. Jedes Jahr wurden die wehrfähigen Männer einer Zent zwischen 16 und 60 Jahren gemustert und registriert. Es gab fünf Waffengattungen: Schützen mit Rohr (Büchse) und Sturmhaube, Äxter mit Axt und Sturmhaube, Rüstungen mit Rüstung und Federspieß, Hellebardierer mit Hellebarde und Sturmhaube, Federspießer mit Federspieß und Sturmhaube. Bei den regelmäßigen Musterungen stellte sich oft heraus, dass die Truppe keineswegs so zuverlässig war, wie es den Anschein hatte. Zum Teil wurden Musterungen gar nicht abgehalten, die Büchsen – die wichtigste Waffe – waren in einem schlechten Zustand. Einige Jahre nach Gründung der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt bestellte Landgraf Georg I. für den 29.09.1573 alle Büchsenschützen zur Musterung nach Bessungen.

August Freiherr von Perglas, Ansicht von Bessungen, 23.06.1818, Foto: Wolfgang Fuhrmannek, Copyright Hessisches Landesmuseum Darmstadt

Die Schützen sollten, nach Ämtern zusammengefasst, jeweils unter ihrer Fahne, mit Pfeifen und Trommeln, erscheinen. Unentschuldigtes Fernbleiben wurde mit 10 Gulden Strafe geahndet. Als Ansporn stiftete Georg I. einen Ochsen und eine Decke im Wert von 30 Gulden als Preis und erlaubte als Zeitvertreib sogar Glücksspiele. U. a. konnte man um einen Ochsen im Wert von 8 oder 9 Gulden würfeln. Die „gemaine Schießgesellschaft zu Darmbstadt“ erschien mit drei Fähnlein zu 20 Mann. Auch Landgraf Georg nahm persönlich am Schießen teil.                         Im 17. und 18 Jahrhundert wurden alljährlich von der Schützengesellschaft Fest- und Preisschießen veranstaltet, meist auf einer Wiese vor der Stadt und oft verbunden mit einem Volksfest. Die Landgrafen waren in der Regel anwesend und stifteten meist die Hauptpreise. Ebenso oft waren die Darmstädter Schützenzu auswärtigen Festschießen eingeladen, etwa nach Worms, Frankfurt/Main, Mainz,
Hanau und Butzbach.

Landgraf Georg I., Zeichnung von Peter App, 1841, Stadtarchiv Darmstadt

Seit Beginn des 17. Jahrhunderts übte man östlich des Bessunger Tors unterhalb der Stadtmauer (unterhalb des Pädagogs). Dort gab es auch ein Schießhaus. Als sich im späten 18. Jahrhundert die Stadt in Richtung Schießplatz ausdehnte und die Beschwerden über das Schießen immer lauter wurden, erhielten die Schützen einen neuen Platz westlich der Stadt beim Holzhof (Holzhofallee). 1794 wurde dort ein neues Schießhaus eingeweiht. Mit der Beseitigung der alten Zentverfassung zu Beginn des 19. Jahrhunderts verloren die Schützen ihre militärische Bedeutung und wandelten sich in eine zivile Vereinigung, die „Privilegierte Schützengesellschaft“. 1818 musste die Anlage am Holzhof zugunsten der Forstverwaltung aufgegeben werden. Nach einem zwischenzeitlichen Domizil in einer alten Kiesgrube am Böllenfalltor (dem heutigen Standort der Polizeischützen) wurde ein neuer Schießplatz auf der Lichtwiese angelegt, wo um 1830 ein Schießhaus, etwa an der Stelle der jetzigen Georg-Büchner-Schule, errichtet wurde. Bei der Eingemeindung Bessungens erhielt die dorthin führende Holzstraße den Namen Schießhausstraße – heute heißt sie Jahnstraße. Im Jahr 1903 mussten die Schützen erneut umziehen. Die Anlage war zu klein geworden, die Besiedlung schloss sich immer enger um den Schießplatz, und die unmittelbare Nähe zum Friedhof führte zu Beschwerden. Die PSG verlegte ihren Standort nach Griesheim. Das Bessunger Schießhaus wurde abgebrochen. Am 28.06.1903 erfolgte die Einweihung des neuen Domizils am Griesheimer Sand. Nach 1933 nahm die Zahl der Mitglieder der PSG rasch ab. Viele gingen zur SA oder anderen paramilitärischen Verbänden. Die Schießveranstaltungen gingen zurück und kamen mit Beginn des Zweiten Weltkriegs ganz zum Erliegen. Nach 1945 war jede schießsportliche Betätigung zunächst verboten, die alten Gebäude der PSG wurden abgerissen. 1951 lebte mit der Wiederzulassung der Schießsport wieder auf. Lange Jahre wurde auf den alten Schießständen am Griesheimer Sand geschossen. 1954 konnte hier das neue Schützenhaus eingeweiht werden. Der Autobahnbau zwang die PSG, ihr altes Gelände zu räumen. 1971 konnte das heutige Schießzentrum für alle Schießsportarten auf dem Gelände an der Weiterstädter Landstraße eingeweiht werden.

Neues Schießhaus in Griesheim, erbaut 1902/03, Foto: Stadtarchiv Darmstadt

Heute 2023 ist die PSG einer der größten Schützenvereine in der Region. Sie hat etwa 400 Mitglieder aller Geschlechter und Altersstufen. Einige unserer Mitglieder sind regelmäßig auf nationalen und internationalen Wettbewerben erfolgreich und haben schon Weltrekorde eingestellt.

Lit.:
Walther, Philipp A.: Darmstädter Historische Kleinigkeiten, Darmstadt 1879, S.274-276; Horn, W.: Zur Geschichte der Polizeischützen e. V. Darmstadt. In: Polizeimagazin, Heft 2, 1970, S. 107-110; Festschrift 450 Jahre PSG Darmstadt, 1988.